Menschen, die immer in wechselnder Zusammensetzung eine Gemeinschaft bilden und individuelle Bedürfnisse haben, eint beim Besuch eines Stadtbades ein Wunsch, etwas für die Gesundheit und für das Wohlbefinden zu tun. Öffentliche Schwimmbäder gelten seit Jahrtausenden als Orte vielfältiger Nutzung.
Schon in der Induskultur um 2500-1900 v.Ch. befanden sich größere Badeanlagen, welche über ihre Dimension andeuten, dass sie nicht nur der Körperreinigung, sondern auch rituellen Zwecken und dem Vergnügen des Bades dienen sollten. Öffentliche Thermen in der Antike, in welcher die Ursprünge der europäischen Badekultur liegen, hatten eine wichtige öffentliche Funktion. Im Byzanthischen Reich blieb die Tradition, trotz der Völkerwanderung und dem damit einhergehenden Zerfall der römischen Badekultur, in Form des Hammam bestehen. Diese Tradition wurde im Mittelalter aufgenommen und in Europa fortgeführt, jedoch in der bescheidenen Gestalt der Badehäuser, die miserable hygienische Zustände aufwiesen und in welchen weitere Tätigkeiten, wie medizinische oder kosmetische Eingriffe stattfanden.
Das Bad ist außerdem mit kulturellen und religiösen Ritualen verknüpft. In der jüdischen Religion spielt Reinheit im wörtlichen und übertragenen Sinne eine große Rolle. Jede jüdische Gemeinde besitzt ein solches Tauchbad. Das Wasser im Tauchbecken muss wie im Islam fließend sein, so dass oft Grundwasser genutzt wird. Es muss mindestens 800 Liter Wasser enthalten. Der Zweck des Tauchbades ist nicht die körperliche Reinigung, sondern die rituelle Reinheit. Auch das Baden in Japan geht über die reine Körperhygiene hinaus und ist vielmehr eine ritualisierte Tradition, die Körper und Geist in Einklang bringen soll.
Die Bedeutung des Bades in verschiedenen Epochen war immer eng mit den jeweils herrschenden Vorstellungen von Hygiene verknüpft. In der Neuzeit ist das Motto der antiken römischen Bäder „Salus per Aqua“ (Spa) weiterhin in den öffentlichen Bädern erhalten, sowie die Tatsache, dass das Bad ein Ort der gesellschaftlichen Gleichheit darstellt.
Heute leben wir in Städten, die bevölkert sind von Individuen, die in ihrer Lebensweise kaum heterogener sein könnten, so auch die Weltmetropole Berlin. Seit 2009 nahm die Bevölkerung der Stadt um 190.000 Menschen zu. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Berlin prognostiziert für das Jahr 2025 eine Einwohnerzahl von rund 3,888 Mio. Personen und damit ca. 140.000 Personen mehr als im Basisjahr 2018 gemessen.
Großstädte wie Berlin verfolgen und experimentieren mit unterschiedlichen Formen der Nachverdichtung und suchen darin nach neuen Potentialen, die das Leben in den wachsenden Städten für die Bewohner aufwertet. Die Nachverdichtung kann aber auch den Lebens- und Erholungsraum in den Städten verringern.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg verfügt über zahlreiche öffentliche Grünanlagen verschiedenster Gestalt. Insbesondere der Viktoriapark und der Volkspark Friedrichshain bieten das ganze Jahr über Erholung und Ruhe mitten in der Großstadt. Mit dem Entwurf „Stadtbad in Berlin“ möchten wir uns dieses Semester an einen pulsierenden Ort der Stadt begeben, welcher in einer komplexen Wechselwirkung zwischen neu und alt steht. Dort möchten wir einen weiteren Ort der Erholung und Ruhe schaffen.
Das Ziel besteht darin, den Bau mit dem bestehenden Kontext in Harmonie zu bringen. Dabei sollen aus der Baugeschichte überlieferte architektonische und städtebauliche Konzepte und Strukturen, sowie gegenwertige gesellschaftliche Bedürfnisse und technische Potentiale berücksichtigt, reflektiert und mit dem eigenen Entwurf verwoben werden. Raum, Konstruktion und Material sollen als eine weitere primäre Grundlage der architektonischen Gestalt dienen. Die Idee soll darstellen, was die Sinne wahrnehmen und so zu einem inspirierenden Ort der Muße werden.