Stadthaus in Mailand
Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Stadthaus“ geschieht einerseits im historischen Kontext von Mailand und andererseits im vollen Bewusstsein darüber, wie diffus der Begriff „Stadthaus“ aus heutiger Sicht gefaßt ist. Vorab läßt er allenfalls an gehobenen Wohnstandard und zentrale Stadtlage denken. Dieser begrifflichen Offenheit steht die Vorstellung von Stadt gegenüber.
Die Beschäftigung mit diesem Thema entspricht dem Wunsch, mit einem Mindestmaß an programmatischen, wirtschaftlichen und baugesetzlichen Bindungen den Prozess der Entwurfsarbeit anzugehen, um dafür um so spezifischer nach dem Stadtraum (Stadtszenarien) und nach dem Wohnraum (Wohnszenarien) recherchieren zu können.
Für die Flächen im Erdgeschoss und in den ersten Obergeschossen sind Nutzungen zu finden, die im Verbund mit dem Ort und dem Wohnen sinnvoll erscheinen.
Mit der Vertiefung findet eine intensive und konkrete Auseinandersetzung mit den atmosphärischen, entwurflich prägnanten Details und deren konstruktiven Fügung statt. Gezielt soll die konstruktive Umsetzung des Projektes und der Umgang mit Materialien im Zusammenspiel geschult werden.
Constanze Fleischer
Als Casa di ringhiera (it. ‚Mietskaserne‘) knüpft das Eckhaus in der Via del Bollo an den historischen Kontext seiner Nachbarschaft an. Im Cinque Vie, dem ältesten Stadtteil von Mailand, mit seinem gleichnamigen sternförmigen Platz, wird die lang verwaiste Baulücke endlich durch einen neuen Bau geschlossen. Das Gebäude positioniert sich an der Ecke und bildet mit seiner aus der Bauflucht gedrehten Gebäudeseite ein Gegenüber zu den weiteren Gebäuden des Platzes. Baukörper und Gestaltungselemente bemühen sich um Eingliederung in den Bestand des Quartiers. Lediglich durch eine leichte Überhöhung zeigt das Gebäude seine Sonderstellung als Blockecke an.
Die Typologie des Laubenganggebäudes entsteht neben der historischen Bezugnahme aus dem Wunsch, einen möglichst großen Innenhof als grüne Oase in der steinernen Stadt zu schaffen, den die Bewohner des Hauses gemeinsam nutzen können und der einen Ort zum Austausch darstellt.
Im Erdgeschoss beleben dem Stadtteil gerecht werdende Nutzungen den Straßenraum. Ein Café mit Verkaufsraum sowie ein kleines Kunstatelier fügen sich gut in die schon vorhandenen gewerblichen Angebote des Quartiers ein. Den öffentlichen Nutzungen wird zwar der visuelle Bezug zum Licht und Grün des Innenhofes gewährt, da dieser aber den Bewohnern vorbehalten bleiben soll, grenzt er sich sowohl durch einen Höhenversprung als auch durch eine grüne Filterschicht vom Stadtleben ab.
Die Wohnungen des schlanken Baukörpers profitieren von seiner geringen Tiefe, indem sie sich jeweils von der Stadt- zur Hoffassade hin erstrecken. Die Hoffassade steht in diesem Zusammenhang für das Private und die Ruhe. Es soll ein offener Grundriss entstehen, bei dem die einzelnen Funktionen enfilade entlang der Fassade hintereinander- geschaltet werden. Die Kochstelle fungiert hierbei immer als Schaltstelle und stellt gemeinsam mit dem Essbereich das Herz jeder Wohnung dar. Die räumliche Trennung wird durch einen eingestellten Körper erreicht, der die dienenden Funktionen aufnimmt und den freien Grundriss ermöglicht.
Die regelmäßigen Öffnungen der Stadtfassade geben dem Raum einen Rhythmus und unterstreichen so das Erleben, an der langen Fassade entlang ‚zu schreiten‘.
Die rückwärtige Fassade zeigt sich im Gegensatz zur klassischen Lochfassade der Stadtseite deutlich offener. Sie lässt sich fast zur Gänze zum Laubengang hin öffnen, sodass dieser als Erweiterung des jeweiligen Raums genutzt werden kann.
Auch in der Materialität zeigt sich die Unterschiedlichkeit der beiden Fassaden im Bezug zu ihrer Funktion und Ausrichtung. So ist die Hoffassade als leichte Holzkonstruktion gestaltet, die auch im Innenraum der Wohung zu spüren ist.
Der Funktionskörper artikuliert sich ebenfalls als Teil dieses System.
Durch sein Herausschieben werden sowohl der Laubengang als auch die Wohnung zoniert, die privatesten Bereiche werden so von unliebsamen Blicken und Besuchern geschützt.
Fassaden- und Grundrisskonzept geben den Wohnungen einen einheitlichen Rahmen, der Platz für eine ausgeprägte Materialität bietet. Holzfenster, ein grauer Terrazzoboden, Glasmosaik in den Funktionskörpern und Einbauten prägen das Erscheinungsbild der Wohnungen. Die Farbwelt aus dunklem Holz und Wassertönen soll die Sinnlichkeit der italienischen Lebensweise widerspiegeln.
In dieser Neuinterpretation bekommt das einstige „arme Haus“ eine neue Wertigkeit.
Steffen Hollstein
Stadträumliche Einordnung
Der Entwurf befindet sich an der Cinque Vie inmitten des historischen Zentrums von Mailand. Als Eckgebäude schließt er den Blockrand in der Altstadt mit einem spitzen Winkel und dramatisiert das aufeinandertreffen der fünf Straßen. Der Gebäudesockel nimmt die beiden unterschiedlichen Höhen der direkten Nachbarn auf und führt sie aufeinander zu. Mittels eines Sockelversprungs am Eingang zur Via Santa Marta überwindet der Entwurf die Höhendifferenz und zeichnet eine stadträumliche Verjüngung in der Fassade ab. Der Entwurf reagiert auf die Position seines Gegenübers und formuliert durch eine Fuge in der Fassade einen Übergang zwischen der Kreuzung und der kleiner Gasse.
Materialität und Form der Fassade
Die Fassade ist mit rechteckigen Zementfliesen verkleidet, die über ihre Diagonale erhöht sind. Die Fliesen sind matt und schimmern leicht gräulich. Je nach Tageszeit erzeugt die Plastizität der Fliesen Schattenmosaike in Anlehnung an die Fassadenreliefs der historischen Stadthäuser Mailands. Die Wandöffnungen liegen in einem Raster, das auf den Maßen einer Fliese beruht. Innerhalb der Öffnungen befinden sich unterschiedlich angeordnete Fenster und Leerfenster, die je ein drittel oder zwei drittel der Öffnungsfläche einnehmen. Ein Wechselspiel zwischen „offen“ und „geschlossen“ erzeugt Dynamik innerhalb der geordneten Fassade. Innenseitig sind die Fensterlaibungen aus hell eingefärbtem Sichtbeton trichterförmig ausgebildet, sodass sie den natürlichen Lichteinfall auf einen bestimmten Bereich des Raumes lenken, wie z.B. auf eine Küchenzeile. Die helle Fassade steht im Kontrast zu den Fensterrahmen und Schiebeläden aus dunklem Holz. Der Gebäudesockel tritt leicht hervor und bietet große Wandöffnungen für öffentlich genutzte Gewerbeeinheiten. Er ist mit großen Kalksandsteinplatten verkleidet, die im Vergleich zu den Zementfliesen eine rauere Haptik aufweisen. Rückseitig schafft der Entwurf einen kleinen und hohen Innenhof. Vor der Hoffassade befinden sich etwa 75 cm schmale Balkone, welche als ein Zitat der Mailänder Laubenganghäuser gedeutet werden können. Sie sind nicht primär zum Betreten gedacht, sondern sollen vielmehr die Funktion der Stapelung hängender Pflanzen übernehmen. Der Innenhof wird zu einem versteckten vertikalen Garten, der nur für die Hausbewohner sichtbar ist.
Nutzung
Das Stadthaus beherbergt drei Nutzungsbereiche: Erstens ein Erdgeschoss, welches dem Leben auf der Straße einen Impuls geben soll. Der Entwurf sieht hier ein Cafe an der Cinque Vie vor, das außerdem einen kleinen Außenbereich nutzt. An der Via Santa Marta ist eine Fläche für einen kleinen Laden geplant, beispielsweise für Floristik. Den zweiten Bereich als Übergang zwischen Öffentlichkeit und Privatem Wohnraum bildet ein Atelier im ersten Obergeschoss. Es bietet Platz zum Arbeiten und Wohnen und kann bei Bedarf als Raum für Ausstellungen genutzt werden. Das Atelier nutzt den Höhenversprung des Sockels für mehr Raumhöhe und löst dies mit einem Splitlevel. Als dritte Nutzung befinden sich Wohnungen in den oberen Etagen. Die Wohnzimmer liegen exponiert zur Cinque Vie und die Individualräume befinden sich in etwas ruhigerer Ausrichtung zur Seite und zum Innenhof. Das breite Wohnungsangebot mit je einer zwei, drei, vier und sechs Zimmer Wohnung soll zu einer Mischung von unterschiedlichen Bevölkerungs- und Einkommensgruppen führen. Als Stadthaus soll der Entwurf auf den Kontext eingehen und ein Stück weit die Geschichte der Stadt fortschreiben. Die zentrale Aufgabe eines Stadthauses sieht der Entwurf in der Mischung von verschiedenen Funktionen und Menschen auf Quartiers- und Gebäudeebene.
Edith Mandel
Im historischem Zentrum der römischen Stadt
Das Grundstück an der Ecke Via del Bollo / Via Zecca Vecchia befindet sich neben der bekannten Kirche San Sepolcro, dem Zentrum der römischen Stadt. In der von Leonardo Davinci benannte “true middle” befanden sich früher die Post, abzuleiten von “il Bolo”, der Briefmarke und die erste Bank Mailands. So trägt die Via Zecca Vecchia, “alte Münze”, ihren Namen nach dem Geldmacher Mailands und Italiens. “La Casa del Zecchiere” kann man im Nachbargebäude Via del Bollo 3 als Museum anschauen. Das Museum stellt römische Ausgrabungen im Gewölbe Keller aus.
Die Organisation 5 Vie bemüht sich darum den historischen Stadtteil aufzuwerten und zu stärken. Es ist bereits zu einem der Design Districts Mailands geworden und Zentrum der “Salone Fuori” die zur “Salone del Mobile” gehört und weltweit bekannt ist. Der Aspekt der alten Stadt soll mit der Zukunft über Kunst und Design verbunden werden. Das Gebiet ist bekannt für seine versteckten Schönheiten und großen Wohnungen bis zu 280m2.
Innenhof
“Mailänder verstecken den Reichtum”
In der Tiefe der Eingänge tun sich die Gärten auf, majestätisch und versteckt.
Der Innenhof bekommt eine klare rechteckige Form und einen römischen Brunnen. Er soll als Oase und Wohlfühlort gesehen werden.
Die Erschließung erfolgt durch einen großzügigen Durchgang des Gebäudes der anschließend direkt auf den Neuen Zugang zu dem “Casa del Zecchiere” führt.
Entwurfsidee
Unter Berücksichtigung des römischen Kontext und der Entwicklungsidee des Design Districts soll eine Erweiterung und Aufwertung geschaffen werden.
Die klare rechteckige Form des Grundrisses und dem zurückspringen des Gebäudes soll ein Gegenüber zum Piazza San Sepolcro entstehen. Somit bekommt die von dem „roten Gebäude“ seitliche Fassade eine prägnante Bedeutung und muss bearbeitet werden. Zur Straße hin soll es wieder einen klaren Abschluss geben.
Entlang der Bar im Erdgeschoss an der prominenten Fassade wird man in das Gebäude und den Innenhof geführt. Auf der anderen Seite des Erdgeschosses besteht die Möglichkeit zur Nutzung als Showroom. In jedem der 3 Wohngeschosse gibt es 2 große Stadtwohnungen mit 197 und 190 m2. Die Wohngrundrisse sind nach 2 Seiten ausgerichtet. So ergibt sich eine klare Trennung zwischen privatem, zum Innenhof orientierten und öffentlich, zur Straße orientierten Wohnraum. Das oberste Geschoss ist zum Dachraum geöffnet.
Fassade
Sichtbarer Ziegel gilt seit dem 18.Jhd. bis in die Moderne als angesehen und wird für vornehme Palazzi und Kirchen verwendet. Das Ergebnis des Ziegels hat eine difuse Gleichförmigkeit der Verzierungselemente und steht in Relation zu romantisch mittelalterlichen Motiven. Er gilt als nie unterbrochenes Vermächtnis lokaler Geschichte.
Für das Mauerwerk wird ein italienisches Ziegelformat verwendet. Das Standartformat ist 25/12/10 cm zusätzlich werden 3/4 Steine verwendet. Gemauert wird mit dem in Italien häufig verwendeten Kreuverband. Durch zurückgesetzte Fugen wird der Fassade eine leichte horizontale Strukturierung gegeben und der einzelne Stein kommt mehr zur Geltung. Für eine lebendigere Wirkung wird 20% Ausschuss verwendet.
Die Dachkonstruktion ist aus Holz. Holz wird in Mailand nur für konstruktive Verbindungselemente, ländliche Bauten oder architektonische Elemente wie Türen, Fenster und Fußböden verwendet. Es hat einen strukturellen Wert für die Errichtung von Dächern und Decken.
Sonnenschutz
„Mailänder sind wie Latinos, die in absoluter Dunkelheit schlafen“.
In Mailand ist es Gebrauch 3 verschiedene Möglichkeiten des Verschließens zu haben.
Außen Jalousien aus Lamellen, in der Mitte die Fensterflügel die meistens in kleinere Rechtecke unterteilt sind und Innen dunklere Fensterblenden. Dabei sind die Fenster meistens zur Durchlüftung geöffnet, die Lamellen außen aber meistens geschlossen. Sie dienen als Schutz vor Hitze und um das Glas von Dunst fern zu halten.